Vorschlag

Jetzt also wieder Lockdown. Zwar (nur) ein Lockdown light, aber auch diesmal werden alle kulturellen Einrichtungen, Restaurants, Kneipen, Galerien und Theater, Konzerte, Opernhäuser... für vier Wochen geschlossen. Mit der Aussicht, dass uns das dann im Advent und in der Weihnachtszeit erspart bleibt, wenn nach diesen vier Wochen die Infektionszahlen sinken.

Und anstatt mich über diese Maßnahmen aufzuregen, habe ich beschlossen, dieses Jahr schon etwas früher mit Fasten anzufangen.


St. Martin, der 11. November, ist nicht mehr zu weit entfernt und mit dem Gänseessen beginnt traditionell das Philippus-Fasten, eine dem alten abendländischen Adventsfasten entsprechende Vorbereitungszeit vor Weihnachten. Anstatt also mit Lebkuchen und Christstollen, Weihnachtsmärkten und Adventsshopping zu feiern, haben die Menschen früher im Advent gefastet. In den Ostkirchen ist das auch heute noch so. Und die Zeit zum Fasten ist einfach gut gewählt: die Nächte werden spürbar länger, die Bäume stellen ihr Wachstum ein und lassen ihre Blätter fallen, ein Teil der Tierwelt bereitet sich auf den Winterschlaf vor oder zieht in wärmere Gegenden. Ein natürlicher Lockdown, sozusagen. 


Ich habe das Fasten in den letzten Jahren mitgemacht, um mich dem allgegenwärtigen Konsumrausch vor Weihnachten zu verweigern und so irgendwie zurückzukehren zum Ursrung: der Sehnsucht nach der Wiederkehr des Lichtes, Weihnachten. 


Das Motto findet sich im Markus-Evangelium: „Kehrt um, das Himmelreich ist nahe.“ Das Umkehren, vielmehr das Bekehren zu Gott, in Vorbereitung auf das „Himmelreich“, also der Anwesenheit Gottes. Wir wenden uns zu Gott hin, aber der Weg, die Richtung, geht nach innen, zum Herzen hin. 


Deswegen werde ich als Fastenübung jeden Tag mindestens 15-20 Minuten im Gebet verbringen. Das, was im weiteren Sinne als »kontemplativ« verstanden wird. Entweder wird es eine Meditation über die Tageslesung oder in der Art von Richard Rohrs „Centering Prayer“ (es gibt eine englische Anleitung dazu aber Ende dieses Textes) oder wie ein Taizé-Gebet oder einen (verkürzten) Rosenkranz. Ich lasse das ganz bewusst offen, wann und wie ich mich dazu hinsetze und werde etwas herumexperimentieren und schauen, was mir gut tut. Das ist etwas, was mir wichtig ist: es geht nicht darum, mich dazu zu zwingen, 20 Minuten still zu sitzen (und verkrampft versuchen, an nichts zu denken). Sondern ich suche eine Praxis, die gut für mich ist. Und die mir gut tut. Und 15 Minuten ist eine gute Zeit, das kriegt man immer irgendwie im Alltag unter. Kürzer finde ich eher schwierig, ich brauche immer eine ganze Zeit, bis der Lärm im Kopf nachlässt und ich in die Stille komme. Also 15 Minuten sind schon so ein Minimum. Und macht auch nichts, wenn es länger wird.


Was bei mir zum Beispiel ziemlich gut funktioniert, ist, wenn ich einen bestimmten Ort zum Beten aufsuche, natürlich bietet sich eine Kirche an. Es gibt eine ganze Reihe von Kirchen, die zur Zeit offen haben außerhalb der Gottesdienste. Das kann man gut auf dem Weg von der Arbeit oder, wer wie ich im Home-Office ist, kann einen Spaziergang zu einer Kirche machen. Oder auf einen Berg — was in Berlin allerdings schwierig ist, einen zu finden. 


Mein Tipp: 

Die Gedächtniskirche mit dem blauen Glasbausteinen und dem schwebenden Jesus/Engel. 

Das goldene Altarbild in der Canisius Kirche. 

Der Raum der Stille im Brandenburger Tor. Der Wandteppich dort ist der Hammer. 


Und allzu viele Hilfsmittel finde ich auch nicht dienlich. Es muss nicht immer ein bestimmter Gebetsschemel sein oder eine Ikone oder Kerzen und Räucherstäbchen. Alles kann, aber nichts muss. Eine Ikone oder eine Kerze kann hilfreich sein, um einen Punkt zu haben, auf den man sich konzentriert, einen Ort im Raum, wohin die Aufmerksamkeit zurückkehrt. Genau so gut tut es der Küchenstuhl, auf den man sich aufrecht hinsetzt und die Augen schließt. Je weniger man dazu braucht, desto besser. 


Und, weil kein Fasten ohne Verzicht ist, werde ich mir ein Medien-Fasten auferlegen: Netflix und Co. nicht mehr täglich, das Internet wird privat nicht länger als 1 Stunde pro Tag genutzt. Und Einkaufen beschränke ich auf Verbrauchsmaterialien, das beugt den Langeweile- und Frustkäufen vor (ich wohne direkt neben der Willmersdorfer Straße, deshalb...). Aber auch das ist nur in erster Linie Verzicht: Ich weiß, dass es mir gut tun wird. 








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Centering Prayer


Centering Prayer is a receptive method of Christian silent prayer that prepares us to receive the gift of contemplative prayer, prayer in which we experience God’s presence within us, closer than breathing, closer than thinking, closer than consciousness itself.

This method of prayer is both a relationship with God and a discipline to deepen that relationship.



The Guidelines


1. Choose a sacred word as the symbol of your intention to consent to God’s presence and action within.


2. Sitting comfortably and with eyes closed, settle briefly and silently introduce the sacred word as the symbol of your consent to God’s presence and action within.


3.  When engaged with your thoughts, return ever-so-gently to the sacred word.


4. At the end of the prayer period, remain in silence with eyes closed for a couple of minutes.




Kommentare

  1. Ein natürlicher Lockdown... ein stimmiges Bild, vielen Dank!
    Ich finde, diese Zeit hat viel mit Ausharren zu tun. Meine Hoffnung ist, dass mir und uns in diesem Ausharren immer wieder schöne Momente geschenkt werden, Gottes Fülle trotz Pandemie.

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