Gott ist einer von uns
Hier erst mal ein kleines Musikvideo - als Trostpflaster für die ausgefallenen Konzerte, die im Juni im Stadtkloster geplant waren: Quartett ad hoc
Und hier mein Impuls zu Jesu Auftreten in Nazareth:
Carsten Albrecht
Impuls zur Abendbesinnung am 21. Juni 2020 im Stadtkloster Segen
Geistliche Impulse aus dem Stadtkloster Segen
Und hier mein Impuls zu Jesu Auftreten in Nazareth:
Lukas
4, 16-22
Jesus
kam auch nach Nazaret, wo er aufgewachsen war. Am Sabbat ging er wie
gewohnt in die Synagoge. Er stand auf, um aus den Heiligen Schriften
vorzulesen. Man reichte ihm die Schriftrolle mit dem Propheten
Jesaja. Jesus rollte sie auf und fand die Stelle, wo geschrieben
steht:
»Der
Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt.
Das
ist mein Auftrag: Den Armen soll ich die Gute Nachricht bringen.
Den
Gefangenen soll ich ankündigen, dass sie frei werden,
und
den Blinden, dass sie sehen werden.
Den
Unterdrückten soll ich die Freiheit bringen.
Ich
soll verkünden: Jetzt beginnt das Jahr, in dem der Herr Gnade
schenkt.«
Jesus
schloss die Schriftrolle wieder, gab sie dem Synagogendiener zurück
und
setzte sich.
Alle
Augen in der Synagoge waren gespannt auf ihn gerichtet.
Da
sagte er zu den Anwesenden: »Heute
– in eurer Gegenwart – ist dieses Schriftwort in Erfüllung
gegangen.«
Alle
spendeten ihm Beifall. Sie staunten über die Botschaft von der
Gnade, die er verkündete. Doch dann sagten sie: »Ist das nicht
Josefs Sohn?«
Jesus
geht nach Nazareth, in die Stadt, in der er aufgewachsen ist. Er
stellt sich den Leuten dort vor, denen, die ihn noch von früher
kennen. Vielleicht ist das einigen von uns bekannt: Ich komme an den
Ort, wo ich aufgewachsen bin, wo Kindheitserinnerungen da sind –
und doch ist alles anders, der Ort hat sich verändert und ich hab
mich auch verändert.
Die
Leute in Nazareth kennen Jesus noch als den Sohn des Zimmermanns
Josef. Und nun treffen sie ihn wieder in der Synagoge am Sabbat. Im
jüdischen Verständnis ist der Sabbat mehr als nur ein Ruhetag, er
ist ein Zeichen des Bundes zwischen Gott und den Menschen. Es ist
kein Zufall, dass die Begegnung, von der hier die Rede ist, an einem
Sabbat geschieht: Gottes Bund mit den Menschen wird an diesem Sabbat
auf besondere Weise deutlich.
Es
war damals üblich, dass erwachsene jüdische Gottesdienstteilnehmer
eine Stelle ihrer Wahl aus einem Prophetenbuch kommentieren dürfen.
In diesem Moment hatte der Synagogen-Gottesdienst etwas Spontanes:
Freiwillige vor… Jesus meldet sich, bekommt das Buch des Propheten
Jesaja gereicht und liest diese Stelle vor (Jesaja 61, 1-2):
»Der
Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt.
Das
ist mein Auftrag: Den Armen soll ich die Gute Nachricht bringen.
Den
Gefangenen soll ich ankündigen, dass sie frei werden,
und
den Blinden, dass sie sehen werden.
Den
Unterdrückten soll ich die Freiheit bringen.
Ich
soll verkünden: Jetzt beginnt das Jahr, in dem der Herr Gnade
schenkt.«
Da
ist von einem Gesalbten die Rede. Bei den Königen damals war es
üblich, dass sie mit Salböl bestrichen wurden als Zeichen dafür,
dass sie von Gott erwählt sind. Wir machen das heute bei
Bundeskanzler*innen nicht mehr so, aber damals war es üblich. Die
meisten dieser gesalbten Könige waren eine Enttäuschung für die
Menschen und auch für Gott; es waren Machtpolitiker, die mehr oder
weniger verantwortungslos gehandelt haben. Ausnahmen bestätigten
auch damals schon die Regel.
Es
gab über Jahrhunderte hinweg die große Sehnsucht, dass sich das
ändert - dass da einer kommt, der Gottes Versprechen auch wirklich
ein-löst, der die Menschen er-löst. Von genau dem ist im
Jesaja-Text die Rede – hier kommt Gott höchst persönlich und
kümmert sich um seine Menschen; und genau dieser steht da vor den
Leuten in Nazareth:
Heute,
in eurer Gegenwart, ist dieses Schriftwort in Erfüllung gegangen.
Jesus
ist es, den dieser uralte Text ankündigt, in ihm erfüllt sich die
alte Sehnsucht nach Fülle, nach Gerechtigkeit, nach Eins-Sein mit
Gott. Dabei sagt dieser Text konkret, welche Aufgaben dieser neue
Gesalbte hat:
1.
Er verkündet
den Armen eine Gute Nachricht,
er hat die kleinen Leute im Blick, die Ausgegrenzten, die sozial
Benachteiligten. Er nimmt sie ernst, sie sind ihm wichtig.
2.
Er sagt den
Gefangenen die Freiheit
an: Die Mächte, die uns gefangen halten, spielen nicht mehr die
erste Geige. Politische oder wirtschaftliche Unterdrückung, aber
auch unsere inneren Blockaden, alles fast uns festhalten will, wird
entmachtet, ist weniger stark als diese neue Kraft, die da mit Jesus
kommt. Wir können in unserem persönlichen Leben dort andocken, wo
wir unfrei sind, wo wir gefangen sind. Er will uns da rausholen, uns
frei machen.
3.
Er kündigt
den Blinden an, dass sie sehen werden.
Da kommt einer, der mir hilft, zu sehen, der mir vielleicht die
richtige Brille gibt, um wahrzunehmen, um die Realität um mich herum
und in mir drin besser zu sehen.
4.
Es, er läutet ein Gnadenjahr
ein. Im Alten Testament ist vom Erlassjahr die Rede, es kommt alle 7
Jahre und die Schulden werden erlassenen, Gefangene werden
freigelassen (vgl. 5. Mose/Deuteronomium 15,1-18). Alle sind wieder
gleich vor Gott und voreinander. Mit Jesus soll dieses Gnadenjahr nun
Dauerzustand werden: In ihm stellt Gott die Beziehung zu den Menschen
neu her und alles, was uns von ihm trennt, möchte er aufheben.
In
Jesus bekommt die Gegenwart Gottes bei den Menschen eine neue
Qualität, Gott ist wie einer von uns. Das 90er-Jahre Lied von Joan
Osborne bringt es gut auf den Punkt: „What if God was one of us?"
Mit
Jesus ist Gott einer von uns geworden und er lädt uns ein, mit ihm
mitzugehen und mit im unterwegs zu sein.
Wie
geht es mit, wenn ich an den Ort gehe, an dem ich aufgewachsen bin?
Was ist wie früher, was ist jetzt anders?
Wonach
sehne ich mich und welche Verbindung hat diese Sehnsucht mit Gott?
Was
bedeutet es für mein Leben, dass in Jesus Gott „einer von uns“
geworden ist?
Carsten Albrecht
Impuls zur Abendbesinnung am 21. Juni 2020 im Stadtkloster Segen
Geistliche Impulse aus dem Stadtkloster Segen
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