Den Sommer genießen und die Saat wachsen lassen
Diese Gedanken habe ich vor einigen
Jahren im November bei einem Meditationsabend vorgetragen. Nun
habe ich versucht, sie an die Juli-Sonne anzupassen...
Markus
4, 26 – 28
Jesus
sagte: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mann Samen auf
seinen Acker sät;
dann
schläft er und steht wieder auf, es wird Nacht und wird Tag, der
Samen keimt und wächst und der Mann weiß nicht, wie.
Die
Erde bringt von selbst ihre Frucht, zuerst den Halm, dann die Ähre,
dann das volle Korn in der Ähre.
Dieser
kurze Text befindet sich im Evangelium nach Markus. Er ist
eingebettet in eine Reihe von Gleichnissen, in denen Jesus erklärt,
wie man sich das Reich Gottes vorstellen kann. Wie sieht dieses Reich
aus, wie sieht das aus, worauf wir hoffen dürfen?
Die
Antworten, die Jesus auf diese Frage gibt, sind so vielseitig, dass
deutlich wird: Das Reich Gottes ist keine fixe Größe, keine
Vorstellung, die wir festhalten können und auch kein eng umgrenzter
Staat auf der Landkarte.
Wie
sieht für uns das Reich Gottes aus? Worauf hoffen wir? Was hilft
uns, die Hoffnung nicht zu verlieren?
Das
Gleichnis von der aufgehenden Saat gut passt zum Beginn der
Corona-Zeit vor einigen Monaten. Warten, nicht planen, Kommen-Lassen
– was natürlich nicht ausschließt, dass es für manche eine sehr
stressige Zeit war.
Im
Beginn des Gleichnisses ergreift jemand die Initiative: Mit
dem Reich Gottes ist es so, wie wenn eine Frau oder ein Mann Samen
auf seinen Acker sät. Für
Bauern ist es etwas ganz selbstverständliches: Wer ernten will, muss
erst mal säen. Vielleicht kommen uns im übertragenen Sinne hier
Bilder von Menschen, die etwas aussäen, die mutig neue Projekte
angehen, die etwas gründen. Jede Gründung ist wie bei der Aussaat
mit Unsicherheiten verbunden: Familiengründung, Ordensgründung,
Unternehmensgründung, Parteigründung usw.
Ich
denke da z.B. an den jungen Roger Schutz, der mit 25 Jahren aus der
sicheren Schweiz mit seinem Fahrrad in das Frankreich des Zweiten
Weltkrieges fährt und dort dem kleinen Dorf Taizé ein Haus kauft,
weil er meint, er müsse dort eine Gemeinschaft ins Leben rufen. Das
sieht erst mal nach einem verrückten und naivem Vorhaben aus. Und in
der Tat: die ersten Jahre hat dieser Mann dort auch ganz alleine
verbracht, niemand schloss sich ihm an. Das Ganze ist nun schon 80
Jahre her und mittlerweile ist Taizé eine Kommunität mit ca. 100
Brüdern, die Jahr für Jahr von Zehntausenden Jugendlichen besucht
werden. Auch jetzt, nach dem Lockwown, gehen die Jugendtreffen
weiter.
Frère
Roger hat seinen waghalsigen Anfang selbst einmal beschrieben mit den
Worten „Avec presque rien…“ – mit fast nichts. Ein paar
Samenkörner sind „fast nichts“ und können doch Großes
entstehen lassen.
Oder
ich denke an mein Ringen um die Frage, ob ich es wirklich wagen soll,
Vater zu werden, ein Kind in die Welt zu setzen. Ich hatte da anfangs
große Zweifel und Unsicherheiten – nun bin ich aber sehr froh,
dass ich mich damals für die Gründung einer Familie entschieden
habe.
Was
haben wir in unserem Leben bislang ausgesät? Was ermutigt uns, immer
wieder die Initiative zu ergreifen und „die Saat auszuwerfen“?
Vielleicht
ist der Sämann oder die Sä-Frau aber auch jemand anderes, einer
unserer Mitmenschen oder Gott. Und wir sind die Erde, die die Saat
aufnahmen kann, damit später darauf Früchte wachsen können.
Wir
sind die Erde, die die Saat aufnimmt... Das klingt erst mal sehr
passiv oder sogar fatalistisch. Das ist es aber gar nicht. Denn es
kommt entscheidend darauf an, wie gut durch-gepflügt die Erde ist,
damit sie die Saat aufnehmen kann.
Was
kann uns dabei helfen, für Gottes Saat einen „lockeren Boden“
vorzuhalten?
Möglicher
Weise können wir uns dem Bild von der aufgehenden Saat aber auch
anders nähern und uns mit der Frucht vergleichen, die letztendlich
daraus entsteht. Einer sät, ein anderer empfängt die Saat und ich
darf dadurch entstehen, zum Leben kommen. Ganz biologisch denken wir
da erst mal an unsere Eltern; daneben gibt es aber auch noch andere
Menschen, die uns zu denen gemacht haben, die wir jetzt sind.
Mir
persönlich fällt es immer mal wieder schwer, diese Angewiesenheit
und Bedürftigkeit anzunehmen. Den Text finde ich dabei hilfreich,
weil er die Botschaft in sich birgt: „Du trägst nicht die
Hauptlast.“ Denn nachdem die Saat verteilt wurde, heißt es vom
Sämann: Dann
schläft er und steht wieder auf, es wird Nacht und wird Tag, der
Samen keimt und wächst und der Mann weiß nicht, wie.
Die
Erde bringt von selbst ihre Frucht, zuerst den Halm, dann die Ähre,
dann das volle Korn in der Ähre.
Egal,
ob wir uns mit dem Sämann, dem Acker oder der Frucht identifizieren,
dieser Text macht uns kein schlechtes Gewissen. Wenn es mit dem
Acker, also mit dem Reich Gottes etwas werden soll, können wir zwar
einen kleinen Beitrag dazu leisten, aber das Eigentliche ist, dass
wir warten und darauf vertrauen, dass es gut wird.
Was
ermutigt uns, beim Warten nicht die Geduld zu verlieren? Gab es
Situationen in unserem Leben, in denen uns Wartezeiten gutgetan
haben?
Jetzt
können wir den Sommer genießen. Danach kommt eine Zeit, in der ganz
buchstäblich die Saat in der Erde ruht. Der Spätherbst
lädt uns dazu ein, den Wert des Wartens jedes Jahr neu zu entdecken
und einzuüben. Was geschieht mit der Saat in der Erde? Sie ruht in
erster Linie und sammelt Kraft. „Es
wird Nacht und wird Tag“,
sagt uns Jesus im Text. Hier wird die Dauer betont.
Der
Sämann „schläft
er und steht wieder auf“,
der unscheinbare, langweilige Alltag geht weiter. Dauer, Alltag,
Weile – Jesus erinnert uns an den Wert dieser Zeiten, in denen
scheinbar nichts passiert. Gut Ding will Weile haben.
Das
Keimen, Aufgehen der Saat ist schon der Anfang des Neuen. Herbert
Grönemeyer besingt es in seinem Lied November:
„Tief im Herbst drin steckt ein Neubeginn.“
Denn augenscheinlich passiert gerade nichts auf den Feldern und in
den Parks. Aber unter der Erde geht vielleicht gerade eine Saat auf,
deren Früchte wir erst im Frühling sehen können. Und einige davon
sehen wir jetzt erst im Sommer.
Beim
Beten und Meditieren kann es uns auch so gehen: Wir sind einfach da
vor Gott und lassen es geschehen. Und dabei kann uns dieser Text
helfen, nicht zu viele Erwartungen zu haben und nicht zu schnelle
Ergebnisse zu wollen: Die
Erde bringt von selbst ihre Frucht, zuerst den Halm, dann die Ähre,
dann das volle Korn in der Ähre. Die
Frucht ist nicht auf einen Schlag da, sie wächst langsam und
unscheinbar. Sie wächst in Etappen: erst Halm, dann Ähre, und dann
erst das volle Korn.
Die
Saat geht von alleine auf: So erklärt Jesus hier das Reich Gottes.
Es kann also nicht erkämpft werden, wir können es nicht durch
besondere Frömmigkeitsübungen herbeiholen. Es kommt und wir stehen
da mit leeren Händen.
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