Zeiten des Aufatmens kommen


Dieser Titel mag etwas provokativ erscheinen angesichts der anhaltenden Corona-Krise. Wann kommen sie denn, diese „Zeiten des Aufatmens“? Nach dem Pfingstereignis hält Petrus mehrere Reden und in einer davon sagt er:

Kehrt also um und richtet euch aus auf die Vergebung eurer Sünden, damit vom Angesicht des Herrn her Zeiten des Aufatmens kommen und er den Gesalbten sende, den er für euch bestimmt hat: Jesus.“ (Apostelgeschichte 3, 19-20)

In der Luther- und Zürcher Bibel sind es „Zeiten der Erquickung“, die BasisBibel spricht von der „Heilszeit“ und in der Einheitsübersetzung heißt es „Zeiten des Aufatmens“.

Viele von uns sehnen sich nach anderen Zeiten, nach einem Ende der Corona-Pandemie. Es wird sicher ein angenehmes Aufatmen sein, wenn wir uns wieder die Hand geben oder umarmen dürfen und in großer Runde Gottesdienste und Feste feiern. Doch es ich völlig unklar, wann das wieder so sein wird. Ich wünsche mir auch vorher schon „Zeiten des Aufatmens“. Für manche ist die Corona-Zeit ein Aufatmen: Endlich Entschleunigung, mehr Zeit haben für mich, raus aus dem Hamsterrad. Die Neue Genfer Übersetzung nennt die „Zeiten des Aufatmens“ übrigens „die ersehnte Zeit der Ruhe“. Die, denen es jetzt gut geht, brauchen sich ihrer Freude nicht zu schämen.

Für andere herrscht der pure Stress zwischen home office und home schooling – oder die Einsamkeit macht sich breit. Hinzu kommen die vielen Kranken und die nicht wenigen Toten und die Trauernden. Und die wirtschaftlichen Probleme, die wir auch im Stadtkloster zu spüren bekommen. Nein, an der Corona-Krise ist nichts schönzureden.

Kehrt also um und richtet euch aus auf die Vergebung eurer Sünden, damit vom Angesicht des Herrn her Zeiten des Aufatmens kommen.“ Wenn Petrus recht hat, dann kommen diese Zeiten also, wenn wir uns darauf ausrichten, dass uns vergeben wird. Es tut mir gut, wenn ich mir klar mache: Vor allen Fehlentscheidungen bin ich geliebt von Gott; mir wird vergeben.

Petrus sagt das kurz nach Pfingsten, als der Heilige Geist auf die Jünger gekommen ist. Mit Pfingsten kommt eine neue Art des Hoffens in die Welt: Vorher bezog sich das biblische Hoffen meist auf eine Haltung der Offenheit für eine Erfüllung in der Zukunft. Bruder John aus Taizé schreibt dazu:

Die biblische Hoffnung, die durch das gesamte Alte Testament durchscheint, verschwindet mit dem Kommen Jesu und dem endgültigen Ausgießen des Heiligen Geistes nicht, sondern sie verändert ihren Charakter. Sie wird stärker und gewisser; gleichzeitig jedoch verlagert sich auch ihr Schwerpunkt von der Zukunft in die Gegenwart. Auf diese Weise offenbart sie ihren göttlichen Charakter und erscheint doch gleichzeitig für den menschlichen Verstand immer mehr als eine paradoxe, widersprüchliche Realität.“ (Ein Gott der Überraschungen, 1996, S. 144)

Gott stillt also unsere Hoffnung immer schon ein Stück weit – im Hoffen selbst steckt bereits ein erstes Aufatmen. Unser Leben befindet sich zwischen „schon jetzt“ und „noch nicht“. Gott sagt den Leidenden zu „Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet satt werden.“ (Lk 6, 21) Aber er sagt den Fröhlichen auch: „Wer mich genießt, den wird wieder hungern.“ (Sir 24, 21) So dürfen wir immer wieder aufatmen – in der Corona-Zeit und auch danach – und werden doch nicht satt und träge.


Was lässt mich aufatmen?

Welche Aktivitäten, die ich vor der Corona-Krise hatte, möchte ich gern wieder aufnehmen, welche lieber nicht?

Was hat mich durch die letzten Monate getragen? Was kann mir auch nach einem möglichen Ende der Corona-Krise weiter Hoffnung geben?


Carsten Albrecht,
Stadtkloster Segen, Pfingsten 2020

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