Ist Corona eine Strafe? Und wenn ja: wofür?







Gleich mal vorweg: Nein ist es nicht. Natürlich nicht. Corona ist keine Strafe, sondern ein Virus, was für seine Verbreitung die Mechanismen unserer modernen Gesellschaft ziemlich gut ausnutzt. Die Enge unserer Städte und die Reiselust der Bewohner sind dafür die idealen Voraussetzungen. Aber hat das etwas mit Schuld zu tun, mobil zu sein, zu verreisen oder seinen Lebenentwurf in einer großen Stadt zu verwirklichen? Abermals nein: Das verhält sich in etwa so, wie wenn einem Kind gesagt wird, es müsse seine Suppe aufessen, damit am nächsten Tag die Sonne wieder schiene.

Aber woher kommt dann die Annahme, natürliche Ereignisse wie Pandemien, Hochwasser oder Unwetter, Erdbeben, Naturkatastrophen hätten etwas mit unserem Verhalten oder Fehlverhalten zu tun?Das fängt, wie so vieles, mit Adam und Eva an, der Neugierigkeit des „Weibes“ und der Verführbarkeit des Mannes. Damit ist gut und böse definiert: Gut ist, was Gott gefällt, böse, wenn sich die Menschen abwenden und Gottes Gesetze missachten. Und das führt im alten Testament der Bibel mitunter zu Naturkatastrophen: einer Sintflut zu Noahs Zeiten, Feuer und Schwefel bei Sodom und Gomorra, diverser fataler Naturkatastrophen (genannt Plagen) für die Ägypter. Alles von Gott geschickt, um die Menschen zu disziplinieren.

Der Bischof von Rom, genannt auch Papst Gregor (genau, das ist der mit dem Kalender) listete im 6. Jahrhundert eine Katalog von Todsünden, die geradewegs in die Verdammnis führen sollen (in gleichem Schwung wurde auch „unsere“ Maria aus Magdala zur Prostituierten, zur Sünderin erklärt). Somit waren Pestepedemien, Dürren, Kriege, Überschwemmungen, Vulkanausbrüche, direkte Folgen der Sündhaftigkeit der Menschen. Und hätten, so die Vorstellung, bei besserem Benehmen wohl verhindert werden können. Diese Vorstellung ist am Ende nur der Versuch, eine Naturgewalt, die über einen herein bricht, durch das eigene Verhalten in irgendeiner Art und Weise zu kontrollieren. Erst, als im Zuge der Aufklärung Zusammenhänge und Naturgesetze erforscht und berechenbar, vorhersehbar gemacht wurden, veränderte die Wissenschaft die Sicht auf die Welt. Aber ohne die biblisch fundierte Interpretation vollständig zu verdrängen.

Der französische Philosoph Jean Beaudrillard (der an dieser Stelle sehr gerne zitiert wird) sah in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts im Auftreten eines Virus (Computer oder Aids) das natürliche Korrektiv gegen ein abnormes „virulentes“ Phänomen. Was, banal ausgedrückt, heißt, die Natur versucht, ein „Zuviel“ an irgendetwas auszugleichen, zurück zum „Normal“ zu führen. Also wie ein Pendel, dass, einmal in Bewegung gesetzt, versucht, in die Ruhestellung zurückzukehren.Das klingt zwar sehr gescheit, lässt einen aber auch ein bisschen unbefriedigt zurück.

Eine Geschichte, die sich vor einigen Jahren zutrug, als mein Sohn noch in der Grundschule war und mit seinem Banknachbarn unerlaubt aus dem Hort entfloh und in der Folge die oblgatorische Scheibe zerschoss. Was natürlich einen entsprechenden Sturm verursachte: Schuldfrage, eindringliche Ermahnung, Haftpflichtversicherung… egal, einige Tage darauf traf ich die Mutter des Banknachbarn und sie erzählte mir dazu eine merkwürdige Geschichte: Als sie an diesem Tag mit ihrem Sohn, beide ziemlich aufgeregt, in ihre Wohnung zurückkam, drehte sich, noch im Flur, der Junge zu ihr um und sagte: „Mama, hau mir eine runter.“ Die Mutter war darüber geschockt, denn Schläge gehörten ausdrücklich nicht zum Repetoire ihrer Erziehungsmethoden. Aber nach einigem hin und her gab sie dem Kind dann doch die gewünschte Ohrfeige. Und danach, sagte sie, wäre der Junge völlig entspannt und mit sich im Reinen gewesen. Er hat eine Strafe verlangt, erhalten und damit war die Geschichte für ihn erledigt.

Da nimmt also jemand freiwillig die Strafe auf sich, um eine Schuld „wieder gut zu machen“. Bisher war das so: Ich habe etwas ausgefressen, ich versuche es zu verheimlichen, dann zu leugnen und wenn es gar nicht mehr anders geht, gestehe ich und bekomme eine angemessene Strafe. Jetzt ist die Formel eine andere: ich werde mit der Schuld bewusst, bereue es, fordere eine Strafe, womit ich meine Taten sühne und frei davon werde. Und am Ende steht der Satz, mit dem wir die Fastenzeit begonnen haben. Jesus sagt: „Kehrt um (bekehrt euch), denn das Himmelreich ist nahe.“


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