Was siehst du?


„Was siehst du, Jeremiah?“ Der angesprochene Prophet Jeremiah kann Gott auf seine Frage nur erwidern, einen Mandelzweig — oder in einer anderen Situation — einen umgestürzten Kessel zu sehen. Die göttliche Deutung wird ihm dann jeweils auf seine Beobachtung mitgeteilt. Das, was Jeremiah zu tun hat, mag auf den ersten Blick nichts Weltbewegen-des sein. Einen Zweig oder ein Stück Geschirr — ja toll, und jetzt?
Doch Jeremiah zeigt uns in diesen Situationen eine große Fähigkeit, welche uns heute angesichts der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 hervorgerufenen Situation sehr hilfreich sein kann: Achtsamkeit. Viele Zeitgenossen Jeremiahs hätten diesen Mandelzweig oder Topf vielleicht gar nicht bemerkt. Weil sie mit ihren Gedanken ganz woanders waren, diese Details vielleicht als unbedeutend abgetan hätten — eben nicht achtsam waren. Jeremiah aber schon.
Achtsamkeit ist die Kunst, jetzt im gegenwärtigen Moment da zu sein. Das Leben so anzunehmen und zuzulassen, wie es sich gerade zeigt. Doch wir Menschen leben anders als Jeremiah oft nur in Vergangenheit und Zukunft. Was war früher alles besser? Was habe ich in meinem Leben schon geschafft? Was muss ich noch tun? Wo will ich noch in meinem Leben hin? Dabei vergessen wir aber bei all diesen Erinnerungen, Plänen, Tagträumen und Wünschen das Wichtigste — den gegenwärtigen Moment, das Hier und Jetzt.
Mit anderen Worten: die gegenwärtigen Unsicherheiten, wie es gesellschaftlich, wirtschaftlich, beruflich und finanziell weitergeht, sind verständlich. Doch verständlich bedeutet nicht alternativlos. Gedanken sind erst einmal Gedanken. Sie entstehen im Kopf. Was noch so alles kommt, was alles sein kann oder nicht, sind Gedanken. Nicht die Wirklichkeit. Ja, es gibt die weltweite Corona Pandemie. Ja, es gibt von der Politik verhängte Einschränkungen des alltäglichen Lebens. Das wäre der Mandelzweig oder der Kessel bei Jeremiah.
Was jetzt aber hinzukommt, sind unsere eigenen Bewertungen und Gedanken. Angst, Panik, Bedrohungen und Befürchtungen entstehen im Kopf!  Und diese führen dann zu Reaktionen wie Hamsterkäufen, weil wir nicht achtsam sind. Achtsamkeit würde hier bedeuten: was brauche ich wirklich, was für Bedürfnisse haben denn die anderen? Brauche ich jetzt wirklich eine Wagenladung voller Toilettenpapier und Desinfektionsmittel?  
Jesus rät uns einmal, dass wir uns um den heutigen Tag kümmern sollen und nicht um die Tage, welche noch danach kommen. Jetzt und hier ist wichtig, das was ist und nicht, was so oder so sein könnte. Eine einfache Achtsamkeitsübung in diesem Sinn besteht darin, einmal kurz innezuhalten und auf den Atem zu achten. Zu schauen, was mich gerade umtreibt: „Was siehst du, Jeremiah?“ Alles, was ist, darf erst einmal da sein. In diesen Zeiten sind es wahrscheinlich Gefühle wie Angst, Unsicherheit, und so weiter. Einfach diese Gefühle wahrnehmen, ohne sie zu bewerten. 
Wir haben Gefühle, aber wir sind sie nicht. Bewertungen und Pläne entstehen in unserem Kopf, wenn wir nicht im gegenwärtigen Moment sind: „Sorgt euch deshalb nicht um morgen, denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen“. Diese Achtsamkeitsübung kann uns vielleicht helfen, in diesen Tagen besser zurechtzukommen und uns nicht allzu sehr verrückt machen zu lassen.

Kommentare

  1. Etwas aus meinem Blog zum Hier und jetzt (hoffe es passt) :Im Hier und Jetzt zu leben wie die Kinder, bedeutet dort zu sein ,wo das Heute auf die Ewigkeit trifft. Leben im Hier und Jetzt entfernt sich von dem, was hätte sein können und davon was zukünftig getan werden sollte oder muss. Die Vergangenheit ist losgelassen .Der Weg ins Jetzt bedeutet, Respekt zu haben vor all den Dingen, die uns genau hierher geführt haben. Wir erinnern uns an die liebevollen Dinge ,die gegeben und empfangen wurden. Wir können darum bitten, dass der Sohn Gottes die weniger liebevolle Vergangenheit für uns auf sein Kreuz nimmt, damit wir diese liebevoll loslassen können.Das Jetzt ist eine Zeit, die Erstaunliches hervorbringen kann. Eine Zeit in der wir rein von unserer eigenen Vergangenheit, Liebevolles empfangen können, wenn wir darum bitten von unserer Selbstverurteilung erlöst zu werden. Wir sind ein Teil der Liebe dieser Welt. Wir können uns jeden Tag die Erlaubnis zu einem neuen Anfang geben und darum bitten unsere Irrtümer aufzuheben.Wir können friedvoll darauf vertrauen erhört zu werden. Unser “Versagen “ist oft das Produkt unserer Selbstverurteilung und unser Wertesystem ,mit dem wir auch andere verurteilen.Geben wir uns wichtige Dinge in höhere Hände...,geben wir den Irrglauben auf ,diese Dinge kontrollieren zu müssen....werden wir ergebnis-flexibler,....so fügen sich die Dinge oft in erstaunlicher ungewohnter Weise gut für uns. Durch dieses vertrauensvolle Freiwerden im Geist wird der Mangel unserer Vergangenheit nicht in die Zukunft übertragen.Es wirkt die Fülle unsereres Vertrauens. Die uns angstmachende Welt mit all ihren Tiefen und Höhen kommt so in Berührung mit dem immerwährenden höheren Frieden, der Welt der Wirklichkeit unserem eigentlichen Zuhause. LG Julie

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